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Dieter Benkard

Wir treffen Herrn Benkard in seiner Wohnung im Herzen von Oberhausen. Er begrüßt uns sehr freundlich und freut sich, dass wir ihn als Zeitzeugen befragen möchten. Herr Benkard ist 1944 geboren und hat seine gesamte Kindheit in Oberhausen verbracht. Er denkt außerdem gerne an seine Schulzeit zurück, obwohl diese von Strenge und Kontrolle geprägt war.

Der Schulweg wurde jeden Tag zu Fuß zurück gelegt, es gab keinen Schulbus oder gar eine Straßenbahn. Im Sommer ist Herr Benkard immer barfuß gelaufen, denn es war schließlich warm und so konnte man die teuren Schuhe schonen. Im Winter hatte man dann Sandalen oder seltener festes Schuhwerk an. Fahrräder hatten nur wenige Buben, erzählt er uns, es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder man kam aus einem wohlhabenden Elternhaus, sodass man sich ein Fahrrad leisten konnte, oder man ist auf den Schrottplatz gegangen und hat sich aus alten Fahrradteilen sein eigenes zusammengebastelt.
Dieter Benkard Doch nicht nur Fahrräder waren selten, auch eine Brezel zur Brotzeit oder gar ein Pausengeld, um sich etwas in der Schule oder bei einem Bäcker zu kaufen. Damals wurde ein Brot in die Brotzeittüte gepackt und wenn man Glück hatte, ist man auf dem Schulweg an einem Apfelbaum vorbeigekommen, dann konnte man sich noch einen Apfel pflücken und das war dann das Pausenbrot für den Tag. In den höheren Klassen hat man dann noch eine Milch mitbekommen, aber sich selbst etwas kaufen und das auch noch jeden Tag, das konnte man sich nicht leisten.

Auf die Frage hin, wie streng seine Schulzeit war, beginnt Herr Benkard zu schmunzeln. Er sei ein sehr temperamentvoller Schüler gewesen und auch nicht immer fleißig. So kam es durchaus mal vor, dass er sich in die Ecke stellen musste oder auch mal einen Hosenspanner bekommen hat, also Stockschläge, wenn er mal wieder seinen Aufsatz nicht vorzeigen konnte. Zu oft durfte man sich das aber nicht leisten, denn die Eltern mussten alle vier bis acht Wochen zur Lehrersprechstunde kommen. Dort wurde dann alles besprochen und die Eltern sind durchaus eingeschritten, wenn es von den Lehrern hieß, im Moment ist er ein ganz schön »wilder Bub«.

»Ich war ein temperamentvoller Schüler.«

Ein wilder Junge war Herr Benkard nicht nur in der Schule, erzählt er uns, die Buben im Viertel haben auch wie verrückt Fußball gespielt, zwar nicht im Verein, aber auf dem heutigen FCA-übungsplatz. Dort haben sich alle nach der Schule getroffen und Fußball gespielt. Vor allem waren dort aber auch die Mädchen und haben zugeschaut. Es gab nur wenig Kontakt zum anderen Geschlecht, berichtet er.
Dieter Benkard In der Schule waren beide Geschlechter strikt getrennt, die Mädchen waren in der Mädchenschule, wie die der heutigen Werner-Egk-Grundschule, und die Buben gingen in die Knabenschule, wie zum Beispiel die Kapellen- oder Löweneckschule.
Die einzige Möglichkeit, wirklich eng mit Mädchen in Kontakt zu kommen, waren die Sonntagnachmittage in der Tanzschule oder das Jugendheim, also ein Jugendzentrum, hinter der Kirche. Dort konnte man zusammen Musik machen oder Schallplatten hören. Eine Beziehung offen auszuleben war dennoch ein absolutes gesellschaftliches Tabu. Allein Händchenhalten war damals schon verpönt, erinnert sich Herr Benkard. Bei ihm zu Hause, aber auch überall in anderen Familien wurden Themen wie Sex und Aufklärung totgeschwiegen. Ein Heft oder ein Magazin mit einer entkleideten Frau war damals undenkbar. Heutzutage wird damit viel offener umgegangen und die Jugendlichen werden auch aufgeklärt, was Herr Benkard wichtig findet.

Wir möchten von Herr Benkard wissen, was er in seiner Kindheit Prägendes erlebt hat oder was ihn damals beeindruckt hat. Für ihn sind die Amerikaner besonders aufregend gewesen, sie waren für die Kinder in Augsburg fast schon Freunde. Die hier stationierten Soldaten lebten in ihren Kasernen im überfluss und so war es üblich, dass sie immer wieder Luxusgüter verschenkten – die Kinder bekamen zum Beispiel Schokolade oder Kaugummi bzw. Whiskey und Zigaretten für den Vater.

Letztendlich ist Herr Benkard zufrieden mit seiner Kindheit. Man hatte zwar nicht viel, aber die Tatsache, dass er viele Freunde und ein gutbehütetes Zuhause hatte, machte diesen materiellen Engpass wett. Er hat sich in Oberhausen immer wohlgefühlt und lebt auch heute noch gerne dort. Er ist stolz auf das, was er als Stadtrat in Oberhausen bewirken konnte: So ist er verantwortlich für den Bau der Drei-Auen-Volksschule, die auch Räume für Jugendliche und Freizeitmöglichkeiten bietet. Wir bedanken uns recht herzlich bei Herrn Benkard für die Zeit, die er sich für uns genommen hat, und das interessante Gespräch!

Text: ANNA WIRTH

Dieter Benkard